Deutschland hat im UNESCO-Welterbekomitee Chancen vertan
#Deutschland. Die Organisation World Heritage Watch hat eine kritische Bilanz der deutschen Präsidentschaft im UNESCO-Welterbekomitee gezogen, die heute zu Ende geht. „Deutschland hat seinen erheblichen diplomatischen Einfluss nicht genutzt, um einige der drängendsten Probleme des Welterbes anzugehen“, erklärte der Vorsitzende von World Heritage Watch, Stephan Dömpke, in Berlin.Nach wie vor leide die UNESCO seit der Einstellungen der Beitragszahlungen der USA unter einer massiven strukturellen Unterfinanzierung. „Wir haben aber außer Appellen nichts darüber gehört, wie diese Unterfinanzierung behoben werden soll“, beklagte Dömpke. „Der Erhalt des Welterbes kostet nun einmal Geld. Deutschland hätte sich dafür einsetzen sollen, die Pflichtbeiträge der Staaten an den UNESCO-Welterbefonds zu verdoppeln, und selbst mit gutem Beispiel vorangehen sollen. Außerdem muss man endlich auch die erheblichen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit für das Welterbe verfügbar machen, zum Beispiel für die Sanierung von historischen Stadtkernen oder die Ausbildung von Handwerkern.“
Die Umsetzung der UNESCO-Strategie, zu einer globalen Ausgewogenheit der Welterbestätten zu gelangen, habe Deutschland geradezu torpediert. Statt sich mit der Nominierung eigener Stätten einige Jahre zurückzuhalten, wie es die UNESCO fordere und Deutschland es mitbeschlossen habe, nominiere Deutschland unverdrossen neue Stätten und ziehe sich damit den Ärger anderer Mitgliedstaaten zu. Dömpke forderte Bund und Länder auf, mindestens fünf Jahre keine neuen Welterbestätten zu nominieren und dafür ärmere Staaten bei ihren Nominierungen zu unterstützen.
World Heritage Watch ist auch von der mangelnden Unterstützung der Bundesregierung für die Zivilgesellschaft enttäuscht – trotz vieler schöner Worte. „Die UNESCO fordert seit langem eine bessere Beteiligung der Bevölkerung bei allen Welterbe-Angelegenheiten. Deutschland hätte in diesem Jahr seine Präsidentschaft im Welterbekomitee dazu nutzen können, einen formalen Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft auf den Weg zu bringen. Das hat das Auswärtige Amt aber abgelehnt, ebenso wie die Unterstützung einer internationalen Konferenz von Nichtregierungsorganisationen über das Welterbe“, rügt Dömpke. Auf der gerade zuendegegangenen Sitzung des Welterbekomitees habe man die Mitgliedstaaten von den Nichtregierungsorganisationen abgeschottet wie nie zuvor. Dies hätten sogar einige Regierungsdelegationen selbst beklagt. „Wenn Deutschland ein solches Beispiel für den Umgang mit der Zivilgesellschaft gibt, welche Botschaft sendet das dann an andere Staaten, wo Bürgerinitiativen unter ständiger Bedrohung leben müssen?“
Dömpke forderte auch die im Bundestag vertretenen Parteien auf, sich intensiver mit dem Thema UNESCO-Welterbe zu befassen. „Hier gibt es in allen Parteien noch ein mangelndes Interesse, das auf erheblichen Wissenslücken beruht. Weder der Entschließungsantrag der Regierungsparteien von Mitte Juni noch die Entgegnungen der Oppositionsparteien erwähnen die ungelösten Probleme. Dabei ist Deutschland mit der Ratifizierung der Welterbekonvention internationale Verpflichtungen eingegangen, und das Welterbe ist eben mehr als eine Liste mit klangvollen Namen. Die Arbeit hört nicht auf, wenn eine Stätte Welterbe geworden ist; sie fängt dann erst an.“