Das Eisenwerk wird zum Pflanz-Garten: Das erste FUTURE LAB in der Erzhalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte
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#Völklingen. Ein Garten am ehemaligen Erzbunker, Landwirtschaft, wo früher Rohstoffe für die Eisenproduktion gelagert wurden: Das ist eine spektakuläre Facette des ersten FUTURE LAB im Weltkulturerbe Völklinger Hütte – ein neues Ausstellungsformat, das von nun an ein fester Programmpunkt sein wird. Die Zukunftslabore widmen sich künstlerisch-experimentell zentralen Themen der Gegenwart und Zukunft.
„In den letzten zwei Jahrhunderten haben wir Menschen die Erde nochmals maßgeblich umgestaltet. Nun bekommen wir von unserem Planeten eine offene Frage zurück: Wie werden wir in Zukunft mit den von uns verursachten Veränderungen leben? Dabei geht es nicht nur um das, was wir immer noch euphemistisch „Klimawandel“ nennen, sondern auch um die Durchindustrialisierung der Welt vom globalen Tourismus bis zur lokalen Landwirtschaft“, so Generaldirektor Dr. Ralf Beil.
Diesen und zahlreichen weiteren Fragen widmet sich das FUTURE LAB jenseits von Kulturpessimismus und Zukunftsfatalismus mit großer Offenheit und Kreativität. „Die Völklinger Hütte als herausragendes Denkmal der Hochindustrialisierung und als zentraler Ort des Anthropozäns — des Zeitalters, in dem der Mensch durch Technik seine Umwelt massiv verändert hat — ist aufs Beste geeignet, die positiven und negativen Auswirkungen dieser gesellschaftsprägenden Entwicklung kulturell und künstlerisch zu diskutieren sowie unsere Gegenwart und Zukunft in den Blick zu nehmen“, führt Ralf Beil weiter aus.
Den Anfang im FUTURE LAB macht die „IBA-Plant“, kuratiert vom Prä-IBA-Werkstattlabor der htw saar unter der Leitung von Prof. Stefan Ochs. Die „IBA-Plant“ stellt sich gleichermaßen, ökologischen, urbanen und sozialen Fragen. Es geht um Inhouse-Farming, Aquaponik, die Erde als ‚Garten‘, um Grenzräume, experimentelles Bauen und das Potential einer Internationalen Bauausstellung in der Großregion mit dem Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz und der Wallonie.
Verortet ist das FUTURE LAB in der Erzhalle, die sich in einer neuen Raumarchitektur präsentiert. Stellwände wurden entfernt und die Fenster wurden wieder geöffnet, so dass im vorderen Bereich ein großzügiger Raum mit Seitenlicht und großer Glasfront entstanden ist. Dieser wird durch einen vielseitig einsetzbaren Veranstaltungssaal mit Besuchertribüne im hinteren Bereich komplettiert.
Im mehrfachen Sinne des englischen Wortes „plant“ wird in der ehemaligen Fabrikhalle sowie dem Außenbereich mit der Treppenterrasse ein Lebensmittellabor ‚gepflanzt‘. Gleichzeitig entsteht ein Ort, um über Zukunftsfragen nachzudenken. Gastkurator Stefan Ochs erläutert: „Das Prä-IBA-Werkstattlabor initiiert das FUTURE LAB in der Völklinger Hütte unter dem Begriff „PLANT“, englisch für Pflanze, Gewächs, Werk, Fabrik oder Produktionsanlage. Es entwickelt einen Garten, dessen künstlerische Konzeption den Stichworten Plant-Factory, Vertical Farming, Kreislauf und Paradiesgarten inmitten der ehemaligen Stahlproduktionsanlage folgt. Das historische Industriedenkmal wird zum Inkubator, zum Ort des Diskurses und zur Prozesswerkstatt.“
In der Erzhalle und deren Außenbereich wachsen nun Gemüse, Kräuter oder Lavendel – in einer Konstruktion aus Bambusstangen, die sowohl der Logik der Vertikalen Landwirtschaft folgt als auch die Struktur der Eisenträgerkonstruktion des ehemaligen Rohstofflagers aufnimmt. Es gibt einen „Arbeitergarten“ und es werden sogar Fische gezüchtet. Zur Anwendung kommt dabei das Verfahren der Aquaponik, das Fisch- und Pflanzenzucht miteinander verbindet, indem die Exkremente der Fische als Nährstoffe für die Pflanzen verwendet werden.
In dieser Hinsicht ist die IBA-Plant ein Labor für Lebensmittelproduktion. Das erste FUTURE LAB in der Völklinger Hütte ist aber auch ein Ort der Vision. Das Prä-IBA-Werkstattlabor hat mit StudentInnen des Masterstudienganges der Schule für Architektur Saar, htw saar, die IBA-Plant gemeinsam gestaltet und aufgebaut. Zudem wurden Ideen für eine potentielle Nutzung von Brachen, ungenutzten Gebäuden und heutigen Industriestandorten der Region zusammen entwickelt — von der stillgelegten Grube Luisenthal, über das Völklinger Saarstahl-Werk bis hin zur neuen Nutzung von Grenzgebäuden und Tankstellen. Und natürlich geht es um das zentrale Zukunftsvorhaben einer Internationalen Bauausstellung, die das Werkstattlabor für das Saarland und die Großregion vorbereitet.
Nicht zuletzt ist die IBA-Plant auch ein Forum für Veranstaltungen, Vorträge und Debatten. Regelmäßig sprechen ExpertInnen aus den Bereichen Architektur, Umwelt, Stadtplanung oder Politik über Zukunftsthemen wie Mobilität, Essen und Trinken, grenzüberschreitende Zusammenarbeit oder das aktuelle Verhältnis von Stadt und Land. Aber es wird auch gefeiert – mit außergewöhnlichen Bands unserer europäischen Großregion und mit einem selbstgebrauten Hüttenbier.
„Il faut cultiver notre jardin“ — Packen wir es an!
Statements zum FUTURE LAB „IBA-Plant“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte
„Das FUTURE LAB „IBA-PLANT“ ist ein Ort, an dem innovativ und interdisziplinär die Zukunft unserer Region vorgedacht werden kann. Ein Ort, den wir für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes dringend brauchen. Es ist sehr erfreulich, dass die Prä-IBA-Werkstatt der htw saar gemeinsam mit der Schule für Architektur Saar dieses Zukunftslabor als erste Kuratoren mit Leben füllen. Dies ist Bestandteil der zweijährigen Präfigurationsphase einer Internationalen Bauausstellung der Großregion (kurz: IBA GR), die das Saarland für die kommenden zwei Jahre fördert. Als Dialog- und Kompetenzplattform soll hierdurch eine bessere Vernetzung zivilgesellschaftlicher, wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Akteure angestrebt und die drängenden Fragen der Zukunft wie beispielsweise der Klima- oder Strukturwandel diskutiert werden. Dieser Prozess kann auch weiterhin die Sichtbarkeit der Großregion als gemeinsamen Raum für Leben und Arbeiten stärken. Hierfür ist die Völklinger Hütte als UNESCO Weltkulturerbe und kollektives Gedächtnis der Region genau der richtige Ort.“
Roland Theis, Staatssekretär des Ministeriums für Finanzen und Europa und Bevollmächtigter für Europaangelegenheiten
„In den Städten der Zukunft werden wir das Grün wieder hereinholen müssen. Auch die Städte müssen wir als Produktionsstätten akzeptieren. Aquaponik ist dabei ein Teil der Lösung.“
Prof. Dr. Uwe Waller, htw saar, Ingenieurwissenschaften, Bioprozesstechnik, Aquakultur
„Das Konzept des FUTURE LAB ist enorm spannend – gerade in Zeiten der Krise, die ja auch Umbrüche in fast allen gesellschaftlichen Bereichen bedeutet. Vieles wird derzeit in Frage gestellt, Zukunftsfragen sind offen. Das sorgt für Verunsicherung, genau darin liegen aber gleichzeitig auch große Chancen. Wichtig ist, dass wir uns aktiv damit auseinandersetzen, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen soll – nicht nur auf der politischen, sondern auch auf der kulturellen Ebene. Das FUTURE LAB kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den gesellschaftlichen Blick nach vorne zu richten.“
Jan Benedyczuk, Staatssekretär, Ministerium für Bildung und Kultur
PM WKE