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Saarbrücker Zeitung, 21.11.2000: Wo zwei Pfarrer Haus und Stall teilten : Völklingen im Wandel

Saarbrücker Zeitung, 21.11.2000: Wo zwei Pfarrer Haus und Stall teilten

Wo zwei Pfarrer Haus und Stall teilten

Das „Kirchlein an der Saar“: Im Mittelalter im Zeichen St. Martins, später im Dienste zweier Konfessionen – „SZ“-Serie, Teil 1

– Von JÜRGEN BOLDORF –

Zwischen Saar und Eisenbahndamm, in der Nähe der Karolinger Brücke, die den Stadtteil Fürstenhausen mit Völklingen verbindet, befindet sich an der Strasse „Im alten Brühl“ die Stelle, an der einst die erste Kirche von Völklingen stand, inmitten der ältesten Bauernhäuser der Stadt. Wie aus der alten Kirchengeschichte hervorgeht, wurde sie auch „Alte Kirche“ oder liebevoll „Kirchlein an der Saar“ genannt. Gegenüber der Kirche stand früher auch das evangelische Pfarrhaus, in dem nach Aufzeichnungen eines Völklinger Bürgers der katholische und evangelische Geistliche friedlich beieinander wohnten und auch einen gemeinsamen Viehstall hatten – nicht zu allen Zeiten selbstverständlich. Erbaut wurde es 1788 – 1789 nach Plänen des Baudirektors Balthasar Wilhelm Stengel, Sohn des fürstlich nassau-saarbrückischen Generalbaudirektors Friedrich Joachim Stengel, unter Leitung des Baumeisters Philipp Bruch.

Die Dorfkirche nahe am Saarufer wurde 1050 in einem Verzeichnis der Diözese Trier zum erstenmal urkundlich erwähnt, als „königliche Kirche aus der Zeit der Karolinger“. Demnach müsste sie vor 911 erbaut worden sein, dem letzten Jahr der karolingischen Herrschaft. Denkbar erscheint, dass diese Völklinger Kultstätte auf Ludwig den Frommen (778 – 840, ab 814 Kaiser) zurückgeht. Diese Kirche dürfte – wie fast alle Bauten jener Zeit – aus Holz errichtet worden sein. Der erste Steinbau der Völk~linger Kirche, der sich einigermaßen datieren lässt, stammt aus frühgotischer Zeit, also etwa aus dem 13. Jahrhundert.

Kaiser Ludwig der Fromme war es auch, der am 27. Oktober 822 als Sohn und Nachfolger von Karl dem Großen eine Urkunde am Königshof zu „Fulcolingas“ ausstellen ließ – Völklingens Erst-Erwähnung in der Geschichte. Das Dokument legt unter anderem fest, dass Abgaben für die Kirchen zu entrichten waren. Der Völk~linger Autor Willi Stockart bemerkt hierzu: „Gemeint waren wohl die Kirche zu Völklingen und die Kapelle zu Geislautern. Denn wo kirchliche Beamte wohnen, dürfte sich auch eine Kapelle befunden haben.“ Falls diese Annahme zutreffe, sei das „Kirchlein an der Saar“ wohl das älteste im Land.

Der früheste Pfarr-Patron von Völklingen war der Heilige Martinus. Er hatte die „himmlische Schutzherrschaft über die Kirche“, das so genannte „Patrozinium“. Martin von Tours wurde nach seinem Tod (um 400) der bedeutendste Heilige und Schutzpatron des merowingisch-fränkischen Reichs. Der Martinskult verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten über ganz Europa. Als Beispiel für seine Wohltätigkeit erzählt die Legende, Martin habe als Soldat am Stadttor von Amiens seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt. Martins berühmter Mantel (lateinisch „Cappa“) wurde im fränkischen Reich als Sieg spendendes Reichskleinod im Krieg mitgeführt, man behütete die „Cappa“ am Hofe. Vom Aufbewahrungsort leitet sich der Name „Capella“ ab, seine Hüter waren die „Capellani“, die „Kapläne“. Diese Hofkapelle wurde schließlich Sitz der kaiserlichen Kanzlei, die das Land verwaltete. Und diese Kanzlei war es auch, die 822 die Völklinger Urkunde an Ort und Stelle ausfertigte.

Über die erste fränkische Martinskapelle oder -kirche in Völklingen schweigen die Quellen. Aufgrund des Martinspatroziniums kann man aber davon ausgehen, dass bereits im 7. Jahrhundert eine Kirche an diesem Platz stand. Ferdinand Pauly schreibt hierzu: „Die Kirche in Völklingen wird man jener Zeit zuweisen dürfen, als der Martinskult in der zweiten Hälfte des 6. und im ersten Drittel des 7. Jahrhunderts seinen ersten Höhepunkt erreichte.“ Und weiter: „Was den kirchlichen Ausbau im Hinterland des Königshofes Völklingen anbetrifft, so dürften die Patrozinien St. Martin in Schwalbach, St. Martin in Saarwellingen, St. Martin in Heusweiler, St. Martin in Köllerbach wohl ein einmaliges Zeugnis darstellen. Die Kirchen reichen zwar nicht in die merowingische Zeit zurück, da fränkische Gräberfelder bei den Orten fehlen, doch darf man ihre Gründung wohl spätestens in das 8./9. Jahrhundert setzen, als in Orten der ersten fränkischen Siedlungsperiode die Feldfriedhöfe aufgegeben und an die Kirchen verlegt wurden und bei der Neugründung von Kirchen die Friedhöfe zusammen mit diesen entstanden.“ Zweifellos folgte dem ersten Kirchenbau, wie im Mittelalter üblich, später am selben Ort ein Nachfolger in romanischen Stilformen. – ein lehrreiches, durch Ausgrabungen erschlossenes Beispiel einander folgender mittelalterlicher Kirchenbauten an gleichem Ort bietet die schöne Kirche „St. Martin zu Kölln“ (Köllerbach).

Die alte Kirche und ihre Vorgänger dienten bis zur Einführung der Reformation (am 1. Januar 1575) dem katholischen Glauben. Bis 1684 war sie dann dem evangelischen Gottesdienst vorbehalten. Nach dem 30-jährigen Krieg aber zogen so viele Katholiken nach Völk~lingen, dass 1684 – während der Reunionszeit, als die Saargegend Bestandteil des Königreichs Frankreich war – durch einen Erlass des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. eine katholische Gemeinde Völklingen neu gegründet wurde; die bestehende evangelische Kirche musste als Simultankirche eingerichtet werden, stand also beiden christlichen Bekenntnissen zur Verfügung. Doch am Fronleichnamsfest 1848 fand der letzte katholische Gottesdienst in der alten Kirche statt. Danach wurde der alte Altar in einer neuen Kirche aufgeschlagen und drei Tage später eingeweiht. Damit war das „Simultanverhältnis“ aufgelöst, die Katholiken hatten ihre eigene (erste) Eligiuskirche an der Wehrdener Chausee, späteren Wilhelm-, heutigen Rathausstrasse, die auf der Stelle der heutigen (zweiten), 1912/13 errichteten Kirche stand.

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