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Saarbrücker Zeitung, 25./26.11.2000: Steinerne Zeugen der mittelalterlichen Vergangenheit : Völklingen im Wandel

Saarbrücker Zeitung, 25./26.11.2000: Steinerne Zeugen der mittelalterlichen Vergangenheit

Steinerne Zeugen der mittelalterlichen Vergangenheit

In der heutigen Straße „Im Alten Brühl“ stand einst Völklingens erstes Gotteshaus – Über das „Kirchlein an der Saar“ und seine Geschichte: „SZ“-Serie, Teil 2 und Schluss

– Von JÜRGEN BOLDORF –

Sichtbare Spuren sind von der Kirche nicht geblieben, die einst „Im Alten Brühl“ stand, im ältesten Teil Völklingens. Was an historischen Resten noch im Boden steckt, beschäftigt derzeit das Landeskonservator~amt: Private Bau-Pläne gaben Anlass, Sondierungs-Grabungen an jener Stelle durchzuführen. Mit der Geschichte der Kirche, die mindestens bis ins 11. Jahrhundert zurückreicht, befasst sich der Amateur-Historiker Jürgen Boldorf in einer zweiteiligen Serie. Heute, im zweiten Teil, stehen das 20. Jahrhundert und bisherige Funde im Blickpunkt.

Völklingen. Am Platz, an dem einst das „Kirchlein an der Saar“ gestanden hatte, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiterhin evangelische Gottesdienste gefeiert. Doch das Anwachsen der Gemeinde und die Störung des Gottesdienstes durch den Schienenverkehr auf der zwischen 1858 und 1860 gebauten Eisenbahnlinie Saarbrücken-Trier gaben Anlass, an einen Kirchenneubau an günstigerer Stelle zu denken; war doch die Kirche zwischen dem nahen Bahndamm und den Häusern gegenüber förmlich eingekeilt, und die Zugänge zu ihr führten durch unzuträglich enge Eisenbahnunterführungen. Nachdem dann am 12. Februar 1922 die alte evangelische Kirche durch einen Brand schwer beschädigt wurde, entschloß man sich bald, eine neue Kirche zu bauen. Am 13. Mai 1928 wurde die neue evangelische Versöhnungskirche in der Moltkestraße eingeweiht. Aus der alten Kirche wurden eine aus dem Jahr 1860 stammende Glocke und Einrichtungsgegenstände – etwa Kirchenbänke und der Fuss einer Kanzel – in das neue Kirchen-Gebäude überführt.

Bei Grabungen 1925/27, also nach der Brandkatastrophe, die mit Genehmigung des Staatlichen Konservatoramtes Saarbrücken von Karl Rupp, Generalsekretär bei Dr. Hermann Röchling, geleitet wurden, fand man Gräber und Grabsteine, die Zeugnis ablegten von geschichtlicher und religiöser Vergangenheit. Rupp schrieb selbst: „Der älteste Teil der Kirche von den freigelegten Fundamenten bis zum Turm ist noch nicht untersucht. . . . Es steht ohne weiteres fest, dass die früheren Kirchen in Völklingen an derselben Stelle gestanden haben.“ Die Fundamente von fünf verschiedenen früheren Kirchen wurden damals freigelegt. Die ältesten Fundamente trugen ein Kirchenschiff, das im Innern nur etwa sieben mal zwölf Meter gross war. Aus welcher Zeit dieser Bau stammte, kann nur vermutet werden.

Den Beschreibungen des Kunsthistorikers Walter Zimmermann zufolge erhielt das Schiff um die Mitte des 15. Jahrhunderts neue Fenster und einen rechteckigen Chor mit Kreuzgewölben auf Diensten. Die Rippen sollen ein Schienenprofil wie im Chor der Kirche in Kölln (Köllerbach) und der in St. Nikolaus im Warndt gehabt haben. Auf der Nordseite des Chors war eine zweijochige Sakristei angeschlossen.

Zwischen den Auffüllmassen kamen einige Münzen zum Vorschein kamen, darunter als ältestes Stück eine Silbermünze aus den Jahren 1220 bis 1250, die der Abtei Hornbach zuzusprechen ist. Die Münzen befinden sich heute im Besitz der Versöhnungskirchengemeinde Völklingen. Ein in die Innenmauer der alten Kirche eingefügter Wappengrabstein, der mit kriegerischen Emblemen geschmückt war und dessen Wappenschild einen Halbmond führte, trug folgende Inschrift: „Hier ruhet in Gott der Hoch- und Wohlgeborene Herr Joh. Eckard von Kruckenberg, Ihro Königl. Maj. In Frankreich wohl meritierter Brigadier und Obristlieutenant des Königlich teutschen Regiments zu Pferd. Geboren anno Christi 1644 und in seinem Heiland Jesu Christi seelig verstorben anno 1717.“ Der Grabstein wurde nachträglich in die Wand eingefügt; das zugehörige Grab fand sich nicht.

Die aus alter Zeit stammende Kirche wurde im 30-jährigen Krieg sehr mitgenommen oder gar zerstört. Krieg und Pest hatten die Gemeinde dezimiert, man musste den Bau nicht erweitern, benutzte die alten Fundamente. An den erhaltenen Kirchturm schloss sich allerdings erst 1672 eine neue Kirche an. Unter dem Verputz in der Mauer zwischen Kirche und Turm, gleich hinter der Orgel, fand man bereits 1843 einen Stein mit einer Inschrift in lateinischen Buchstaben, die besagt, dass 1716, unter der Regierung des Grafen Carl Ludwig von Nassau-Saarbrücken, die Kirche renoviert wurde. In den Jahren 1737/38 erfolgte der Um- oder Neubau der Simultan-Kirche, in der Form, wie sie bis zum Jahre 1882 bestehen sollte: Die ganze Südwand wurde abgebrochen und – weiter herausgerückt – neu aufgeführt. Die Nordmauer ließ man stehen, erhöhte das Kirchenschiff und versah es mit anderen Fenstern. Ein altes Amtssiegel der Kirchengemeinde trägt noch die Abbildung dieses Barockbaues. . 1883 wurde die Kirche durch ein neues, in romanischem Stil gehaltenes Querhaus mit Chor vergrößert. Gegenüber dem alten Pfarrhaus wurde 1889 der Konfirmandensaal (Im alten Brühl 1) errichtet, den die wachsende Industrie-Gemeinde für Unterricht und Vereinsleben benötigte.

1937/38 wurden dann die letzten Überreste der „Alten Kirche“ beseitigt. Der Kunsthistoriker Walter Zimmermann, der die Baugeschichte der Martinskirche wahrscheinlich auf Grund der Ausgrabungsergebnisse von Rupp beschrieb, datierte den Bau des Kirchturmes ins 13. Jahrhundert. Mit dem Turm-Abriss verschwand spurlos der letzte Zeuge aus Völklingens mittelalterlicher Vergangenheit. Immerhin, ein Rest der Mauer, die einst den Kirchhof am „Kirchlein an der Saar“ einfriedete, ist heute noch als Relikt vergangener Zeiten erhalten und zu bestaunen. Nach Einschätzung des Landeskonservators Johann Peter Lüth stammt dieser Mauerrest aus dem 14./15. Jahrhundert.

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