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Saarbrücker Zeitung, 16.03.2001: "Skelette und Schädel interessieren uns am meisten" : Völklingen im Wandel

Saarbrücker Zeitung, 16.03.2001: „Skelette und Schädel interessieren uns am meisten“

16.3.2001

„Skelette und Schädel interessieren uns am meisten“

Kinder der Grundschule Haydnstraße vom Grabungsfieber im „Alten Brühl“ gepackt Völklingen (sd). Auf dem Gelände am „Alten Brühl“, wo Archäologen unter der Leitung von Sabine Donie seit Monaten die Überreste der mittelalterlichen Martinskirche freilegen, brach in dieser Woche die reinste Goldgräberstimmung aus. Anlass hierfür boten nicht die regelmäßig ans Tageslicht beförderten Funde, sondern der Besuch zweier Schulklassen der Völklinger Grundschule Haydnstraße, die sich in strömendem Regen an der historischen Stätte eingefunden hatten und sich vom Grabungsfieber der Archäologen spontan anstecken ließen (wir berichteten).
Die Schüler der Klassen drei und vier gingen sogleich auch auf eine Schatzsuche nach bislang Unentdecktem. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Aus dem Wust des aufgetürmten Erdreiches, der die freigelegten Grundmauern der mittelalterlichen Kirche umgibt, förderten die kleinen Nachwuchsarchäologen menschliche Knochen, antike Tonscherben und andere kleine Schätze einer vergangenen historischen Epoche zu Tage. Warum sich die Kleinen auf die mittelalterliche Zeitreise fernab ihrer Klassenzimmer begaben? Wie die Leiterin der Schule, Edeltraud Bennoit, preisgibt, stehe zum einen das Thema saarländi-sche Geschichte gerade auf dem Stundenplan des Sachunterrichtes; da biete es sich nun mal an, durch solche Erlebnisreisen etwas Farbe in den bisweilen etwas grauen Schulalltag zu bringen. „Das ist Geschichte zum Anfassen“, bekundet die Direktorin deshalb auch schmunzelnd, während die niederprasselnden Regentropfen von den Rändern ihres Schirmes abperlen. Zum anderen müsse die historische Stätte aus der Karolingerzeit direkt vor den Toren der Stadt, die wohl nicht zu Unrecht als die „Wiege Völklingens“ bezeichnet wird, auch für die Nachwelt erhalten bleiben. Aus diesem Grund haben die Schulkinder der Grundschule unter dem Motto „Völklinger Schüler für Völklinger Geschichte“ in jüngster Zeit ein bemerkenswertes Engagement an den Tag gelegt, um zu verhindern, dass ein Stück Völklinger Stadtgeschichte von den Bauplänen einer Handelskette begraben wird. So haben die Schüler beispielsweise in den eigenen Räumen Infowände mit Zeitungsartikeln, Flugblättern von Bürgerinitiativen und anderen Materialien errichtet, in denen die jetzige Diskussion um die Zukunft des „Alten Brühl“ ihren Niederschlag findet. Auch am Faschingsumzug in Völklingen partizipierten sie mit einem selbstgemalten Plakat am Karnevalstrubel und machten hiermit ihrem Unmut Luft. Gleichwohl weiß die Lehrerin Karin Leidner, dass der Versuch, Kinder für Geschichte zu begeistern, nur von Erfolg gekrönt sein könne, wenn man ein solches Thema „kindgerecht“ aufbereite. Deshalb haben sich auch auf Ersuchen der Schulleiterin Ludwig Heil und Marco Kirsch vom 1999 gegründeten Verein „Die Tafelrunde“, der sich zum Ziel setzt, mittelalterliches Leben möglichst authentisch darzustellen, am Ort des Geschehens eingefunden. Sie stellen historische Personen in mittelalterlichem Outfit dar. Die größte Faszination auf die Kinder üben jedoch die menschlichen Knochenreste aus, die an zahlreichen Stellen über den Boden verstreut liegen. „Skelette und Schädel interessieren uns am meisten“ erzählen die zehnjährige Fran-ceska Loria, ihre Schulkameradin Jessika Rädel und Stephan Krämer.
Doch auch die mittelalterlichen Münzen und andere historische Fundstücke, allesamt Zeugen einer bewegten Geschichte, stoßen bei den Kindern auf reges Interesse. Nach der Besichtigung der historischen Fundgrube sind sich Lehrer und Schüler in einem Punkte einig: Die Martinskirche muss als Zeuge der Vergangenheit für Gegenwart und Nachwelt erhalten bleiben. Alsbald wird sich ergeben, wie es dem historischen Patienten mit wandelndem Sterbedatum in naher Zukunft ergehen wird.

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